Reise nach Istanbul 2006

Senatsreise 2006 nach ISTANBUL 15.09.2006 bis 18.09.2006

„Wer Gefahr liebt, wird darin umkommen!“
(Georg Rollhagen (1542 – 1609) Froschmeuseler)

Die 16 Senatorinnen und Senatoren, die sich am 15. September 2006 (sehr) früh auf den Weg nach Istanbul machten, liebten die Gefahr nicht und umkommen in derselben wollten sie schon gar nicht.

Wieder gesund nach Hause kommen wollten sie, und sie waren davon überzeugt, dass in der aktuellen Situation ihr Reiseziel ebenso risikolos wie risikoreich ist wie jedes andere Reiseziel in unserer Welt. Sie behielten Recht - Gott sei Dank! Alle Sechzehn betraten am 18. September 2006 am frühen Abend Bergisch Gladbacher Boden, unversehrt, voller schöner Erlebnisse, fasziniert von einer facettenreichen, in vieler Hinsicht bedeutenden Stadt, betört von berauschenden Eindrücken - und ein wenig melancholisch, nicht nur, weil sie morgen der so ganz andere Alltag mit offenen, fordernden Armen erwartete, sondern auch, weil Stunden und Tage vergangen waren, in denen sie unbeschwert dem Reiz der Sinne nach Herzens Lust frönen konnten und sorgenfrei leben.
Jeder der 16 Senatsreisenden war interessiert, war gespannt, diese einmalige Stadt mit den vielen Namen und ihre Menschen kennen zu lernen. Istanbul ist einmalig (wie jede andere Metropole) und einzig! Istanbul liegt als einzige Stadt unserer Welt mit ihrem Stadtgebiet auf zwei Kontinenten, Europa und Asien. Dreizehn Millionen Menschen leben in Istanbul, einhundertdreißig Mal mehr als in Bergisch Gladbach.
Von Beginn an war jedem von uns klar, dass wir während der uns zur Verfügung stehenden Zeit nur einen winzigen Teil dieser Metropole kennen lernen würden. Es waren letztlich wenige Dinge, die wir erlebten, beileibe aber keine Petitessen.

Mit Bedacht waren sie ausgesucht, in jeder Hinsicht repräsentativ für das Konglomerat Istanbul (wenn nicht sogar Türkei) samt ihrer prall vollen und wechselhaften Geschichte, unterschiedlichen Religionen, epochalen Kulturen, grandiosen Architektur, zauberhaften Kunst, der sympathischen, jungen, aufgeschlossenen, freundlichen Menschen und stoisch souverän das Verkehrschaos chauffierend beherrschenden Menschen am Busvolant. Allein, all das hätten wir kaum so deutlich und lebensnah erfahren können, hätten wir nicht unseren Ersel Karaman gehabt, einen (türkischen) Reiseleiter der extrem guten Sonderklasse. Seine Kenntnisse: unabsehbar umfangreich, der deutschen Sprache mächtig, gepflegt und eloquent, der es nicht etwa bei einer Aufzählung von Details beließ, sondern jedes wie auch immer geartete Detail aus dem ihn prägenden und fügenden Zusammenhang erläuterte. Er war stets nicht etwa nur gut, sondern auf alles vorbereitet, organisatorisch äußerst versiert und zuverlässig, in der Improvisation kreativ, routiniert, sicher – ein Glücksfall.
Bei der Auswahl der Sehenswürdigkeiten und damit Beschränkung auf Weniges kann man möglicherweise in Istanbul gar nicht daneben greifen, denn Istanbul bietet durchgängig Beispiele auf Weltniveau:

Hagia Sophia, Blaue Moschee, Chora Kloster, Großer Basar, Gewürzbasar,





Topkapi Sarayi, Beylerleyi-Sarayi (= Palast!), Bağdad Caddesi und İstiklâ Caddesi (= Straße!), See- und Landmauer, Ruf der Muezzins und Bauchtanz, Goldenes Horn und Bosporus, Bootsfahrt und Fährtransfer, Galatabrücke und Atatürk Brücke, Kebab und Fisch aus dem Marmarameer. Zwar fallen solche Namen, wenn man sie hört, auf bereits bestellten Boden, präsentieren diese sich dann in natürlichem, technischem, architektonischem Fleisch und Blut, erlebt man sie „in Augenhöhe“, verfällt man geradezu in einen Sinnenrausch der Wirklichkeit. Die theoretische Vorstellung bleibt in so gut wie allen Fällen weit hinter der erlebten Realität zurück.
Wir konnten unsere Erlebnisse umfangreich genießen, nicht nur wegen der fulminanten Darbietungen durch unseren Reiseführer, sondern auch, weil wir gut untergebracht waren. Unser Hotel (Yasmak Sultan) in der Ebussuud Caddesi liegt mitten in Eminönü, hinter der „Hohen Pforte“, dem letzten Regierungssitz der Sultane vor 1853; also im Herzen der Altstadt Istanbuls, eine gute Adresse allein schon deshalb, weil wir von der Dachterrasse (Frühstück, Abendessen, Gute-Nacht-Trunk) freien Blick hatten: auf die majestätische Hagia Sophia und auf den Bosporus mit den Kreuzfahrtschiffen.

Unvorbereitet überrascht und zum Staunen gebracht haben uns der abendliche Besuch des Istanbuler „Veedels“ Kumkapi (dort geht es zu wie hier rund um die Severinskirche am Tag des längsten Tisches, nur mehrfach so bunt, heftig und lebendig) sowie die Besichtigung und Erkundung einer Teppichmanufaktur (wie erhält man einen Kilometer langen Seidenfaden, wie knüpft man - meistens sind es jüngere Damen - einen Teppich und wie schaffen sie es, 200 Knoten in einem Quadratzentimeter unterzubringen?). Ansteckend fröhliches, ausgelassenes kurzweiliges Leben hier, die konzentrierte, öde, langwierige und mühevolle Einsamkeit der täglichen archaischen Arbeit dort. Die Spannweite und der Widerspruch dieser Phänomene fallen in Istanbul in sich zusammen und hinterlassen eine Vielfalt der unterschiedlichsten Eindrücke und Erfahrungen, sodass noch viel Erinnerungsarbeit übrig bleibt, Klarheit und Struktur in dieses Gewirr überbunter Steine zu Gunsten eines deutlichen Mosaiks zu bekommen.

Allen gemeinsam aber war eine Erfahrung. Zwar waren wir allesamt von der Mondänität und Jugendhaftigkeit der Menschen, ihrer sehr selbstverständlich westeuropäischen Haltung eingenommen. Selbst in den orientalisch übergewichtigen Bazaren war diese „Westlichkeit“ eingezogen. Das Urbild aber, das unsere Überraschung erst ermöglichte, wurde uns später deutlich, nämlich - als wir in den Flieger zurück nach Deutschland kamen. Da waren sie wieder, die Menschen, die wir in Gedanken nach Istanbul gebracht und dort erwartet hatten, aber nicht vorfanden: diese älteren schwarz gewandeten Herren mit dem sieben bis acht Tage-Bart unter der Strickmütze und dem Handgepäck in Discountertüten, die älteren adipösen Damen in den langen Gewändern, deren Gesicht nicht sprechen kann, deren Blicke das Unendliche suchen in der Nähe ihrer bärtigen Herren. Wir waren wieder in Deutschland, in Köln, in Bergisch Gladbach. Unsere Reise nach Osten, an die Grenze Europas, an das Tor zu Asien bescherte uns okzidentale Westlichkeit. Der Orient flog mit uns nach Westen.

Wodife