Reise nach Prag 2012

Reise des Senats der Großen Gladbacher nach Prag Vom 29.09.2012 bis zum 03.10.2012

Um mit dem Fazit zu beginnen: Diese Reise reiht sich ein in die Reihe der gelungenen Reisen.
Das spürbar zunehmende Wohlgefühl der teilnehmenden Senatorinnen, Senatoren, Freundinnen und Freunde nährte untrügerisch diese Einschätzung, der herzliche Dank an die Reiseleitung letztlich den Beweis für deren Validität.

Anders als die Reisen zuvor lag die Organisation dieser Senatsreise bei der Thomas-Morus-Akademie Bensberg. Kein Sprung ins kalte Wasser, sondern die Überantwortung in kompetente, einfallsreiche, sorgfältige Hände von Fachleuten, die ihr „Handwerk“ wirklich beherrschen. Darüber hinaus: Ein ebenso fachkundiger wie sympathischer Reiseleiter, der uns in Wahn in Empfang nahm und dort auch verabschiedete: Rainer Thiesen, Kunsthistoriker!

IMG_4192_korrPrag, slata praha, das goldene Prag: Ein Reiseziel, das für uns „bei-nahe-Kölner“ überaus reizvoll, emotional bewegend ist, denn hier begegnet (auch) eine architektonisch „heile Welt“. Prags Gebäude haben in der (auch) jüngsten Vergangenheit durch Kriegseinwirkung kaum gelitten. Man begegnet in Prag lebendiger Architektur der Gegenwart und längst vergangener Tage:

IMG_4496_korrIn Wohngebäuden, in denen schon im 15. Jh. Prager Bürger wohnten, wohnen heute deren „Nachmieter“. Das Haus der Familie Parler (1330 – 1399) ist immer noch Wohnhaus. Das Theater (Opernhaus), in dem Wolfgang Amadeus Mozart seinen Gerüchte umwobenen „Don Giovanni“ sehr erfolgreich uraufführte (1787), das TYL-Theater, “Tylovo divadlo“ * erbaut von 1781 bis 1783, ist heute täglich genutztes Spartentheater. Und das Gebäude nebenan, die am 07.04.1348 von Karl IV. gegründete erste Universität im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, hat Umbauten, Renovierungen, Erweiterungen und Verwahrlosungen erlebt, überlebt und wird heute Tag für Tag genutzt, an ein und demselben Standort.

Freilich: Solche historischen Gebäude haben bauliche Eingriffe welcher Art auch immer über sich ergehen lassen müssen. Nur: Diese Gebäude ließen sich reparieren, umbauen, renovieren … mussten nicht angerissen werden, weil Wert verbessernde bauliche Maßnahmen unvergleichlich teurer geworden wären als Abriss und Neubau. IMG_4474_korrDeshalb verfügt das TYL-Theater heute, nach Sanierung, über ein originales Exterieur und eine Bühne mit modernster Technik und Beleuchtung, alles selbstverständlich digitalisiert. – In Köln war man drauf und dran, die Riphahn-Oper (1957 mit Oberon eröffnet!) dieser Kostengründe wegen platt zu machen.

IMG_4183_korrStaunend nimmt der Prag-Besucher diese lebendige Vergangenheit auf, lässt sich faszinieren und ist zugleich deprimiert, wenn er an zu Hause denkt, daran, was bei uns die Bomben des Zweiten Weltkrieges an heimatlichen Gebäuden vernichtet haben und was dem Wahn der „Auto gerechten Stadt“ allein in Köln Ende der fünfziger, Anfang der sechziger Jahre zum Opfer gefallen ist.

Niemandem und nichts zum Opfer gefallen ist Prags Jugendstil-Architektur. Dem glücklichen Zufall ist es zu verdanken, dass unsere Unterkunft das „Hotel Imperial“ war: Ein Jugendstil-Bau aus den ersten Jahren des vorigen Jh., der den Hotelgast erleben ließ, dass Jugendstil nicht allein, exklusiv eine Fassaden-Architektur gewesen ist, sondern eine ganzheitliche Kunsthaltung mit totalem Gestaltungswillen, dergestalt, dass auch das Interieur vollständig bis ins Detail (Türbeschläge, Essbestecke, Wandbekleidungen) „gestylt“ wird.

IMG_4207_korrDas Juwel solcher ganzheitlichen Architektenkunst ist das Gemeinde- oder Repräsentationshaus am Platz der Republik. Das Haus verfügt über sehr viele, unterschiedlich große Veranstaltungsräume bis hin zum riesigen und prächtigen Smetana-Saal, ein Konzert-Saal, dessen Akustik in der Welt ihres Gleichen sucht. Und alles, wohin man blickt, geht, wo man sich aufhält, fügt sich der Gesamtheit gleichberechtigter Vielfalt. Sogar der Pulverturm aus dem Jahr 1475 ist integraler Bestandteil. Einer Vielzahl von damals bedeutenden Architekten gab man Gelegenheit, ihren Beitrag zum Gelingen dieses grandiosen Gebäudes zu leisten. Und wenn das Gebäude heute „rund um die Uhr“ genutzt wird, nimmt es keinen Schaden.

Eindringlich ist auch die Präsenz Jüdischer Kultur; nicht allein wegen des musealen Friedhofes oder der verschroben-putzigen Alt-Neu-Synagoge, sondern wegen der Josefstadt, ein „Veedel“, dessen Pendant in Köln z. B. durch Verbrechen unserer Nazi-Vorfahren mit Mann und Haus „ausradiert“ wurde und uns heute fehlt. Man muss sich nach Prag begeben, um koschere Gaststätten aufsuchen oder in koscheren Metzgereien einkaufen zu können. KafkaUnd im Straßencafé im Geburtshaus von Franz Kafka genießt man gedankenverloren auffrischende (oder –wärmende) Köstlichkeiten (heiße Schokolade mit Rum).

Mag sein, dass Prag deshalb so fasziniert, weil der touristische Besucher sich erst einmal nur die Altstadt, die Kleinseite und den Hradschin (Prager Burg) anschaut und tief beeindruckt ist, von dieser „Postkarten-Idylle“. Die Millionenstadt Prag breitet sich um dieses Zentrum aus einschließlich aller Accessoires, die in Prag ebenso aussehen und funktionieren wie in allen anderen europäischen Großstädten. Der Kölner an sich weiß: De Haupsaach es, et Hätz es joot. IMG_4439_korrSo auch in Prag: Die drei hauptsächlich frequentierten Ur-Stadtteile und die Karlsbrücke (Baubeginn 1357 unter Karl IV., Baumeister: Peter Parler; Bauende Anfang 15. Jh.) bilden das Herzstück, das gute Herz, das die Stadt pulsieren lässt. Weil dem so ist, versäumen es die Prager nicht, ihre wunderbaren Kleinodien auch bei Dunkelheit gut aussehen zu lassen. Er ist schon ein nachhaltiges Erlebnis, der nächtliche Blick von einer Dachterrasse auf die raffiniert angestrahlte Burg, die durch Lichteffekte scheinbar schwebende Karlsbrücke und die im Kunstlicht besonders hell strahlenden goldenen Kugeln, die z. B. auch die Turmspitzen der Teinkirche zieren. Zumal, wenn man gerade ein vorzügliches Abendessen genossen hat und das auch noch im schrägsten Hause Prags, das nicht etwa wegen der vielen Jahre auf dem Buckel schräg geworden ist. Dessen Architekt hatte die Idee eines tanzenden Hauses und bekam den Auftrag, die hässliche Lücke in der Häuserfront direkt am Moldau-Ufer der Neustadt zu schließen. Diese Lücke hatte eine amerikanische Fliegerbombe, die irrtümlich abgeworfen wurde, hier angerichtet. Sie war glücklicherweise die einzige Bombe auf Prag.

Nicht nur der Vollständigkeit halber muss erwähnt werden, dass wir den Blick auch über den Tellerrand wagten: ein Nachmittag auf dem Vyšehrad; Hinweg: Straßenbahn und Spaziergang bergauf; Rückweg: U-Bahn; mit dem Taxi, wer es bequem haben mochte. Von dem der Burg gegenüber liegenden Hügel Prags bieten sich ganz ungekannte Ausblicke auf die Stadt, auf den größten Teil der Stadt, und man erhält einen aufschlussreicheren Eindruck von deren Größe. – P1020343-neue GroesseEin anderer Nachmittag gab uns Gelegenheit, mit einer christlichen Familie zu sprechen, die aus ihrem Glauben und der Zugehörigkeit zur Katholischen Kirche keinen Hehl gemacht hat während der gesamten Zeit der kommunistischen Diktatur. Ein hoch emotionales Erlebnis, das kaum jemand in der Qualität erwartet hatte, zeigte sich doch, dass Menschen sehr vieler und sehr unterschiedlicher Couleur in der Lage sind, fast identische Unmenschlichkeiten zu entwickeln und einzusetzen, wenn es darum geht, Macht zu beschaffen, zu besitzen und zu erhalten. Das kannten die meisten von uns - Gott sei Dank! - bis dahin nur aus Geschichtsbüchern. Jetzt war es lebendige Vergangenheit. Und jeder zog für sich die Konsequenz, dass wir die Wiederholung solcher Geschichte und Geschichten mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln verhindern müssen.

IMG_4308_korrHistorie ganz anderer Art: Eine Straßenbahnfahrt in einer Straßenbahn aus dem Jahre 1924. Feinste Holzklasse, direkter Kontakt zu den Schienen, Fahrer, Schaffner und Fahrgäste auf Augenhöhe in einer Großraumkabine; der Fahrer stehend freihändig Kurbel und Pedale bedienend, damit dieser Technik-Dino in dem normal fließenden, sehr dichten Straßenbahnverkehr mithalten konnte und es auch tat. Kommunikation während der Fahrt war nur unmittelbaren Nachbarn möglich, und dank mangelnder ausgefeilter Federungstechnik aus dem Jahr 1924 kam es zu ungeahnten Begegnungen, über deren kommunikativen Wert man im gefederten Zeitalter noch einmal nachdenken sollte.

P1020339-neue GroesseNicht zu vergessen: die böhmisch Küche! Sie ist schlicht gut, reichlich und schmeckt. Teilnehmer berichten, dass selbst Wochen nach der Reise das alte Kampfgewicht noch nicht erreicht werden konnte. (Geduldig sein und vielleicht einen England-Aufenthalt ins Auge nehmen!)

Unsere Prager Stadtführerin, Alena, die uns während sämtlicher Tage zur Verfügung stand und uns wirklich gut und schön, interessant und kurzweilig die Augen geöffnet und geführt hat, und unseren Reiseleiter, Reiner Thiesen, der kommentierend, erläuternd, unermüdlich, interessant aufgearbeitete Zusammenhänge der unterschiedlichsten Sparten und historischen Zeiten hinzufügte oder entwarf, zieren seit dem 03.10.2012 die Orden der Gesellschaft, verliehen vor dem Kafka-Museum – ein besonderer Platz.

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Den mitreisenden Damen und Herren, ob Senatorinnen, Senatoren, deren Begleitung, Freundinnen oder Freunde sei ein hohes Lob ausgesprochen. Prag ist wahrlich kein einfaches Pflaster. Hält man sich vor Augen, dass der Besucher gar nicht anders kann, als sich zu Fuß „auf die Socken“ zu machen, kann die hohe Laufleistung gar nicht zu hoch genug einschätzen, dazu die Bereitschaft, mit- und weiterzumachen auch hinsichtlich zukünftiger Senatsreisen. Mit solchen Senatorinnen und Senatoren lässt sich’s gut reisen. Kein Wunder, dass sie bereits nach der nächsten Reise des Senats der Großen Gladbacher fragten.

* Wir Besucher wurden während einer Besichtigungspause von einem Bläserensemble (Quintett) mit Musikbeispielen aus Mozarts bekannten Opern verwöhnt: Wunderbar!

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