Reise nach Budapest 2008

Senatsreise 2008 nach BUDAPEST (05.09.2008 – 08.09.2008)

Die Messlatte „Mindestpersonenzahl: 15“ war locker übersprungen: 29 Senatorinnen und Senatoren samt Freundinnen und Freunden hatten sich für die Teilnahme an der großen Senatsreise 2008 – verbindlich – angemeldet. Die Reise konnte stattfinden. Als es dann am 05.09.2008 um 09.00Uhr vom Busbahnhof in Bergisch Gladbach losging, waren es noch 17.

Unsere kleine, aber feine Gruppe vor dem Parlamentsgebäude

Aber - und diese Erfahrung bestätigt sich aufs Neue - je weniger Teilnehmer desto sympathischer die Senats-Reise-Gruppe, desto schöner die Reise, - was nicht heißt, dass die schönsten Reisen diejenigen sind, an denen niemand, und wäre er noch so sympathisch, teilnimmt.
Trotzdem: Die diesjährige Reise ist außergewöhnlich gut und schön ausgefallen; jedenfalls bekundete niemand etwas anderes beim leicht wehmütigen Abschied am späten Montagabend in Bergisch Gladbach. - Jetzt aber der Reihe nach:

Das Erste: das Wetter

So etwas von gutem, sonnigem, warmem Wetter kann niemand gemeint haben, der uns „schönes Wetter“ für die Reise gewünscht hatte. Tagestemperaturen weit jenseits von 30 Grad Celsius und eine Luftfeuchte von weniger als dreißig Prozent waren die Normalität an jedem Tag, auch am Montag (08.09.), an dem es aus unerfindlichen Gründen bis 10.35 Uhr dann doch regnete. Also: Sommer lupenrein, extrem. Einfach sagenhaft.

Das Zweite

Jedem von uns wird er einfach in Erinnerung bleiben, er, unser Reiseführer Alexander Mátyás.

Alexander Mátyás erklärt die Mathias Kirche
Alexander Mátyás erklärt die Mathias Kirche

Alexander Mátyás ist Ungarischer Patriot und Antikommunist mit Herz und Blut, unideologischer Pragmatiker, der kaum eine Örtlichkeit in Budapest ausließ, den Nachweis zu erbringen, wie unmenschlich grausam die Menschen des kommunistischen Regimes gewütet haben und mit welcher ebenso unverständlicher wie nicht hinzunehmender Ignoranz heutzutage die politische Führung in Budapest die Verbrechen der Kommunisten totschweigt; schlimmer noch, dass heute die politische Elite selbst sich aus solchen Menschen zusammensetzt, die mit der epochalen Wende vom Saulus zum Paulus wurden und heute Demokratie „verkauft“, als wäre sie deren Erfinder. Zwei dramatische Beispiele:
- Mehr als drei Millionen Ungarn lebt heute im angrenzenden Ausland – unfreiwillig, weil nach dem Zusammenbruch 1945 dem ungarischen Staatsgebiet Teile abgenommen wurden, und niemanden in Ungarn oder Europa stört dies. - Der ehemalige Führer der Jungkommunisten in Ungarn ist heute der Staatspräsident. Wer von uns wusste das schon ...

Das Dritte

Budapest; diese Metropole fasziniert ebenso wie Paris, Wien, London, Lissabon oder Wien (die Aufzählung ist unvollständig!) durch seine (fast) intakte Architektur der (jüngeren) Vergangenheit. Was bei uns die Bomben und Granaten des Zweiten Weltkrieges in Köln, Berlin, Hamburg, Dresden (auch diese Aufzählung ist unvollständig) an historischer Substanz vernichtet haben, was bei uns anschließend den Abrissbirnen für die autogerechte Stadt zum Opfer fiel, ist hier vorhanden, in all seiner Pracht, (zum Teil aber noch ramponiert vom „Charme“ kommunistisch – kollektiver Fürsorge.)
Diese wunderbaren, ausgiebig einladenden Gebäude aus den letzten drei Jahrhunderten, an denen die Augen „hängen bleiben“, sich nicht sattsehen können und doch auf Entdeckungsreise bleiben, diese Gebäude vermitteln ein Zu-Hause-Gefühl, und seien sie noch so gigantisch wie das Budapester Parlament, so filigran gewaltig, wie die große Markthalle,

in deren Stahlkonstruktion sich die Augen verirren, so wuchtig leicht, wie die Kopfbahnhöfe, die klobig im Weg stehen, so majestätisch thronend, mächtig, wie das Palais auf der Budaer Seite. – Und in diesen Häusern leben und arbeiten Menschen. Aber die waren und blieben für uns unerreichbar, allein der Sprache wegen. Wenn man sie sprechen hört, fällt es schwer zu glauben, dass irgend jemand diese Sprache überhaupt verstehen kann.

Das Vierte

Budapest bei Nacht; vom Boot aus kamen wir in den Genuss der illuminierten Budapester Architektur. Das künstliche Licht und die Komposition der Beleuchtung verändern die Körperlichkeit der Gebäude, suggerieren Unwirklichkeit, die Gebäude scheinen zu schweben. - Das nächtliche Panorama dieser ungemein sympathischen Stadt von der Aussichtsplattform unterhalb des Friedensengels auf dem Buda - Burg - Berg brennt sich ein in die Erinnerung, ist überwältigend, macht sprachlos.

Das Fünfte

Alexander Mátyás zum Zweiten. – Erfahrene (Gruppen-)Reisende haben sicher ihre Erlebnisse mit Reiseleitern und wissen deren Qualität einzuschätzen. Unser „Alex“ ist ein Sonderfall, eine Ausnahme in der Güteklasse exzeptionell. Ob in organisatorischer oder programmatischer Hinsicht, ob bei historischer, religiöser, wirtschaftlicher, technischer, architektonischer, künstlerischer, medizinischer oder sonst welcher Fragestellung: Alexander war kenntnisreich, wich keiner Frage aus und antwortete ausführlich mit rhetorisch – didaktischem Schliff. Kein Wunder, könnte man meinen, denn Alex hatte in den 68-Jahren in Tübingen u.a. Kunstgeschichte studiert (und bei Daimler gejobbt. Er kannte sogar Bergisch Gladbach, weil er als Student auch in Bergheim in der Braunkohle gearbeitet hat).
Es folgten Studienzeiten in Florenz, Venedig und Paris. Unser Alexander hatte den Ehrgeiz, uns in der kurzen, zur Verfügung stehenden Zeit so viel und Vielfältiges wie zumutbar erleben zu lassen, und mutete zu bis an den Rand der Aufnahme- und Konditionsgrenze. Dabei gab es willkommene, intensive, angenehme Ruhephasen, z. B. die Bootsfahrt auf der Donau mit vorzüglichem Abendessen oder das Matinee – Kammer – Konzert im Liszt – Museum.
Das Angenehmste aber war, dass wir uns, nachdem unser Reiseführer uns am Flughafen in Empfang genommen hatte, um gar nichts mehr kümmern brauchten, bis wir, zurück am Flugplatz, „Viszontlátásra“ (auf Wiedersehen) sagen mussten. Ein ungewöhnlich tüchtiger, engagierter Reiseleiter und ein überaus liebenswürdiger Mensch, dieser Alexander. Unseren Orden hatte er sich nun wirklich verdient.

Das Sechste

Die Busfahrt war erholsam. Janos, unser Fahrer, chauffierte uns im klimatisierten Bus Stadt auswärts in Richtung Osten: Puszta. Mittags war Zwischenstopp in Kecskemét mit Empfang im Rathaus. Die Stadt, hier ist Zoltán Kodály geboren, ist zwar kleiner als Bergisch Gladbach aber viel älter und verfügt über ein unvergleichlich größeres, üppigeres Rathaus, das an Zeiten erinnert, in denen es in Kecskemét offenkundig besser als heute zugegangen ist. Auch einige z.T. prachtvolle Bauten sprechen für diesen Tatbestand.

Das Kodály Monument
Das Kodály Monument

Nach gutem Mittagsimbiss ging’s weiter. Bei diesem Kaiserwetter - und in der ehemaligen Doppelmonarchie war es eben doppeltes Kaiserwetter - zeigte sich die Landschaft von ihrer sehr schönen Seite. So fiel der erste Eindruck von der Puszta schon überaus positiv aus. Es kam noch besser. Nach Begrüßungsmirabellenschnaps und Gruppenbild, einschl. „Piroschka“, bestiegen wir zweiachsige Panjewagen, und es ging los. Nach wenigen Augenblicken waren wir allein in und mit der Puszta, mit dem Staub und Sand, die von den Pferdehufen und den Wagenrädern aufgewirbelt und vom Fahrtwind uns nicht nur ins Gesicht geblasen wurden, was den Spaß an der Fahrt und den Genuss der Puszta nur noch steigerte. Die Puszta erinnert etwas an eine Heidelandschaft ohne Heidekraut, so jedenfalls der zweite Eindruck während dieser Fahrt, die dann doch viel zu kurz ausfiel, als dass man intensiver Gemeinsamkeiten oder Unterschiede mit der Heide hätte feststellen können (wollen).

Olga in ihrem Warenlager
Olga in ihrem Warenlager
Wollscheine in der Puszta
Wollscheine in der Puszta

Gesandstrahlt kamen wir an einem einsam gelegenen, größeren Hof an, einem typischen Puszta - Bauernhof, auf dem die Bäuerin Olga, Ihr Mann und eine Praktikantin aus Erfurt (beide haben ebenfalls Namen, die wir nicht erfuhren, aber auch nicht erfragten!) und ihren Tieren (u.a. Wollschweine!) autark. Olga spricht ein wunderbares Deutsch und erzählte uns etwas u.a. von der nächtlichen Geschlechtertrennung in vergangenen Zeiten, die einherging mit reichem Kindersegen. Das sei heute anders. Die Trennung sei aufgehoben und der Kindersegen bleibe aus. Die bäuerliche Arbeit sei dennoch die gleiche. Man produziere so viel, dass man davon leben und manches auch noch verkaufen könne, und unterbreitete uns ein vielfältiges Warensortiment mit eigenen Produkten, die mancher von uns nicht einmal (mehr) kannte.

Natürlich fehlte Paprika nicht, von dem Olga sagte, Paprika sei zweimal scharf, einmal, wenn man ihn esse, zum zweiten Mal, wenn man ihn ... eben Paprika aus der Puszta. – Das Nachhaltige dieses Besuches: Wir waren mit Olga, ihrem Mann und ihrer Praktikantin allein, hatten scheinbar unbegrenzte Zeit und waren die einzigen Menschen in der Puszta.
(Auch so etwas muss vorab organisatorisch vorbereitet sein, was es auch war, dank Alex und Studiosus.)

Zurück im Gutshof erlebten wir eine grandiose Darbietung mit Pferden. – Das Gut verfügt über eine Pferdezucht, in der Pferde auch ausgebildet werden. – Es ging los: Zweier-, Vierer-, Sechser- und Achter-Gespanne durchpflügten den knöcheltiefen Sand mit höllischer Geschwindigkeit, Hufe und Wagenräder ließen den Sand wie Wasser aufspritzen, die Kutschen drohten in den scharf gefahrenen Kurven umzukippen. - Dann zehn oder zwölf Peitschen schwingende Reiter, die ihre (Kampf-) Pferde mit lautem Peitschenknallen, unmittelbar an deren Ohren, auf bevorstehendes Kampfgetümmel (Rosenmontagszug?) vorbereitet haben.

Heute eine für Touristen bewahrte und kultivierte Tradition, ein kulinarisches Spektakulum. Die Reiter standen dann plötzlich auf dem Rücken ihrer Pferde, dann spielten die Pferde plötzlich „toter Mann“, boten Schlafplatz, setzten sich wieder hin (wer hat schon einmal sitzende Pferde gesehen?) und boten sich ihren Reitern quasi als Podest an, was diese auch annahmen. Die „Fuchsjagd“ war für alle Reiter einmal mehr Gelegenheit, ihre fulminanten Reitkünste zu demonstrieren, was sie auch taten, besonders der „Fuchs“, dem die restlichen Kollegen ein Tuch abzujagen hatten. Dem mit offenem Munde staunend alles verfolgenden Senator fiel auch noch auf, dass die Reiter ohne Sattel ritten; und wenn Sattel, so war dieser nur aufgelegt ohne Verzurrung – wenn dieser Terminus in diesem Zusammenhang erlaubt ist. Dies war beim anschließenden Reiterspiel (so etwas wie “Die Reise nach Jerusalem“) nicht ungünstig. Mussten die Reiter, die eine Runde gewonnen hatten, so schnell wie möglich runter vom Pferd, einen Holzklotz umlegen und wieder rauf. Solche Reitkunst verblüffte auch die erfahrenen Reiter – Senatorinnen und -Senatoren.

Atemlose Spannung löste die letzte Darbietung aus: 10 Pferde und ein Pferdelenker, nicht Reiter; auf dem Rücken der beiden letzten Pferde einer 4 – 4 – 2 – Formation stehend und jedes einzelne der 10 Pferde mit separaten Zügeln lenkend.

Diese Formation drehte ihre Runden und erhöhte von Mal zu Mal das Tempo bis hin zu gefühlter Schallgeschwindigkeit. Es wurde unheimlich. Wären es zwölf Pferde (und Reiter) gewesen ... nicht auszudenken!
Benommen nachsinnend folgten wir unserem Reiseleiter und standen unvermittelt vor drei prächtig gedeckten Tischen (in den Farben der Gesellschaft!) auf gepflegter Wiese, begleitet von virtuos - dezenter Musik einer Zigeuner-Kapelle (Zigeuner sind und heißen in Ungarn Zigeuner, ohne dass jemand sich daran stößt).

Wir wurden zur Tafel gebeten und erlebten ein köstliches, üppiges Abendessen, während die Sonne dabei war, langsam hinter den Puszta - Bäumen zu verschwinden. Vermutlich wäre niemand erstaunt gewesen, wenn plötzlich das Kommando ertönt wäre: „Film ab!“ ...

Der Rest

Nach solch einem Tag kann es nur schlechter werden; wurde es auch: Wir mussten nämlich am nächsten Tag nach Hause fliegen, und nachts begann es zu regnen, aber nur so lang, dass wir am anderen Morgen bei Sonnenschein unseren Spaziergang auch durch das Budapester Judenviertel (in Budapest steht die größte Synagoge Europas) absolvieren konnten. – Finaler, gemeinsamer Umtrunk im Hotel: Abschiedsworte, Dankeschön und Ordensverleihung; Fahrt zum Flugplatz; Rückflug wie schon der Hinflug unauffällig, angenehm - aber mit Verzicht auf das dargebotene Sandwich; Ankunft in Düsseldorf; nach einigem Warten und zwei bis drei Telefonaten fanden wir auch unseren Bus, und der fand routiniert den Weg nach Bergisch Gladbach. Die Senatsreise 2008 war beendet; sie war - und darin waren sich alle einig - eine der besonders gut gelungenen. Und das freut einen denn ja auch.

wodife