Exkursion Garzweiler 2011

Senat auf Erkundung des Braunkohletagebaus Garzweiler II am 02. Mai 2011

Der gemeine Senator ist stolz auf seine historischen Wurzeln im „alten" Rom. Bergisch Gladbacher Senatoren schauen in die Zukunft. Beweis: 36 Senatoren und deren Freunde begaben sich in eine längst vergangene Zeit, als es in unserer Gegend, die nur knapp über dem Meeresspiegel lag, unvorstellbar viel wärmer und feuchter als heute gewesen ist. Ideale Voraussetzungen für eine ihrerseits unvorstellbar üppige Vegetation, die ungestört vor sich hinvegetieren konnte, da es die Dinos längst nicht mehr und den Menschen längst noch nicht gab (auch keinen Neandertaler!) Bäume, Wälder riesigen Ausmaßes gediehen und vergingen, machten neuen Bäumen und Wäldern Platz. Ihre Altersreste aber lösten sich nicht auf. Sie gerieten in die Moore und Sümpfe, in denen sie groß geworden waren, unter Wasser. Unter Wasser, ohne Kontakt mit der Luft vermoderten sie nicht, sondern wurden von Mikroorganismen, die ohne Sauerstoff ihre Arbeit verrichteten, zu Torf umgewandelt. Die Voraussetzung für die Entstehung der Braunkohle. Denn während viele gewaltige Baum-Generationen unter Wasser gerieten und zu Torf umgewandelt wurden, senkte sich der Boden insgesamt. So entstand ein riesiges Reservoir abgestorbener Bäume unter Wasser. Die Bodenabsenkung lockte das Meer zurück, das sich weit in südliche Richtung ausdehnte und seine Ablagerungen nun auf die bis zu 300 Meter starken Baumschichten (inzwischen Torf) entsorgte. Das alles geschah vor rund 30 Millionen Jahren. - Inzwischen war es in unseren Breiten wieder kälter geworden und das Meeressediment lastete dick und schwer auf dem Torf, so sehr, dass ihm das Wasser aus den Poren gedrückt wurde. Der Torf bedankte sich und wandelte sich -langsam- zur Braunkohle.

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Das Meer aber zog sich zurück, kam wieder, zog sich zurück und kam wieder. Infolge dieses Prozesses wiederholte sich jener der Braunkohlebildung. - Bild 2Schaut man heute auf die Steilhänge eines Tagebaus, wird man an Muttis „Kalten Hund" erinnert. Tief braune (Kohle-) Schichten wechseln sich ab mit hellen (Kies- und Sand-) Schichten. Ihre lange, stolze Geschichte hat die Braunkohle nicht davor bewahrt, heute fürs Wasserkochen herzuhalten, in riesigen Öfen, um mit ihrer Hitze Wasser aus dem flüssigen in den gasförmigen (Aggregat-) Zustand zu wandeln: Wasserdampf. Dieser ist hochenergetisch und deshalb in der Lage, einen gewaltigen Motor anzutreiben (Dampfturbine), der wiederum eine erschütternd kleine Maschine, einen Dynamo -wie am (alten) Fahrrad, nur etwas größer - antreibt. Und wie der am Fahrrad liefert auch dieser Dynamo Strom, der bei uns aus der Steckdose kommt, wenn wir ihn denn lassen.

Wo bleibt die Zukunft?

1. Braunkohle lagert (bei uns) tief im Boden und muss ans Tageslicht gebracht werden, und zwar im „offenen" Tagebau. Jahr für Jahr wird 100 Millionen Tonnen Braunkohle gefördert (und verbrannt). Die Braunkohle führenden Schichten (Flöze) liegen aber unter z.T. 400 Meter tiefem Abraum, der zu beseitigen ist, wenn man an die Kohle will. Die Folge: Es entstehen Löcher von unvorstellbarer Dimension. Was macht man mit diesem „Abraum", was mit den Löchern? Die aktuelle Diskussion um den Tagebau Inden (dieser soll mit Wasser gefüllt werden, es entsteht ein See so groß wie der Tegernsee!), um Hambach, die Rekultivierungsmaßnahmen des ausgekohlten Braunkohlereviers nördlich von Leipzig und jener hier am Ort, nicht zuletzt die Sophienhöhe (der höchste künstliche Berg im Rheinland) sind nur unzusammenhängende Beispiele einer Zukunftsbewältigung, die noch völlig offen ist, über die noch keine soliden Erfahrungen vorliegen.Bild 3

2. Der Braunkohletagebau „frisst" Landschaften, Ortschaften, Städte samt deren Infrastruktur, hinterlässt Wunden, im besten Fall rekultiviertes Land. Menschen werden ihrer Heimat beraubt, werden gezwungen, heimisch zu werden, wo noch niemand zu Hause gewesen ist. Und wenn sie das Angebot zur Umsiedlung nicht akzeptieren, ist Eigeninitiative angesagt. -Allein über die Höhe der dermaßen generierten Kosten herrscht Uneinigkeit, von Erstattungen gar nicht zu reden.

3. Brennende Braunkohle erzeugt nicht nur Hitze, sondern entlässt während des Verbrennens alles, was bei den üblichen Temperaturen nicht verbrennen kann, in die Luft, u.a. Schwefel und CX> - Chemikalien, mit denen in den hier anfallenden Mengen weder der Mensch noch die Natur etwas Nützliches anfangen kann, die Mensch und Natur massiv gefährden. Schadstoff minimierende Maßnahmen sind eingeleitet; aber:

  • Das kardinale Problem bleibt ungelöst.
  • Die horrenden Kosten der Schadstoff minimierenden Maßnahmen wirken sich lähmend auf die Bereitschaft, sie umfangreich zu verwenden.
  • 4. Kohlekraftwerke haben einen Wirkungsgrad von durchschnittlich (nur) 45 Prozent; modernste (BOA) sollen 60 Prozent erzielen. Jede Maximierung des Wirkungsgrades stößt an Grenzen, Grenzen des physikalisch-technisch Machbaren und Grenzen der Wirtschaftlichkeit. Grenzüberschreitungen, die das grundsätzliche Problem zu lösen in der Lage wären: Fehlanzeige.

    5. Der Stromverbrauch wird weltweit steigen, sowohl in den hoch entwickelten Industriestaaten als auch in allen übrigen Staaten der Welt. - Also auch von daher keine Sicht auf Problemminimierung.

    Keine allzu rosigen Aussichten auf unsere Zukunft, wenn unser Energieverzehr anhalten wird und keine Alternativen gefunden, erfunden, entwickelt oder sonst wie bereitgestellt werden, die uns Menschen und unsere Natur weniger zerstören.

    Bild 4So bedrückend sich diese Gewissheit sich unserer bemannte, so abgelenkt waren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer durch die Ausmaße einer gigantischen Technik, die Ingenieure entwickeln mussten, um derartige Massen zu bewegen, eine Technik, die ihrerseits trotz der kolossalen Dimensionen leicht zu bewegen sein muss; nicht nur die Bagger (13.500 Tonnen Lebendgewicht, 96 Meter hoch; Höchstgeschwindigkeit: 0,6 km/h oder 10 Meter/Minute; Fördermenge: 240.000 Tonnen/Tag), sondern auch die Bandanlagen (für den Transport von Abraum oder Kohle; 2,80 m breit; 27 km/h Bandgeschwindigkeit; Länge 66 km). - Weniger leicht zu versetzen, dafür aber in sich schwindelerregend mobil: der Bandknotenpunkt. Hier enden, bzw. starten sämtliche Förderbänder eines Tagebaues. Hier kann das Material jedes ankommenden Bandes auf jedes beliebige andere Band umgeladen werden. Allein dieser hohe Anspruch verursacht intellektuelle Verwirrung, erst recht seine Stahl gewordene Ausführung.

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    Was nicht per Band ans Ziel gebracht werden kann, wird mit der Grubenbahn gefahren: Das Schienennetz ist 340 Kilometer lang, 40 Elektro- und 17 Dieselloks bewegen 700 Waggons, in denen bis zu 6 Millionen Tonnen Kohle oder 3 Millionen Tonnen Abraum transportiert werden kann, am Tag - versteht sich.

    Nild 6Niemand war willens, aber auch gar nicht in der Lage, sich das Ausmaß eines dermaßen komplexen Phänomens auch nur annähernd vorzustellen. Vielleicht gibt folgender Sachverhalt einen helfenden Tipp. Der Tagebau war augenscheinlich menschleer (selbst ein Schaufelradbagger benötigt nur 3 Mann Besatzung!), die Bewegungen: nur schwer auszumachen, Veränderungen erst recht nicht. Seien wir wachsam, weil offenkundig immer weniger Menschen immer mehr Menschen nicht nur den Segen, sondern auch in Gefahr bringen können. Und alles in einem fantastischen, faszinierenden Szenario.

    wodife